Für mehr Nachhaltigkeit muss man nicht nach perfekten Lösungen suchen. Es braucht vielmehr Ideen, Mut und Ausdauer. Das war eine von vielen Erkenntnissen der Bodenseetagung 2021, die sich dem Thema «Soziale Arbeit 2030 – nachhaltig und umfassend» verschrieben hatte. Die OST – Ostschweizer Fachhochschule führte die Tagung in Kooperation mit der FHS Alumni und dem Berufsverband AvenirSocial Region Ostschweiz durch.
«Think global, act local» ist einer von vielen Slogans, die uns in der Gemüseabteilung vor genussreifen Avocados die Zutaten für das Nachtessen nochmals überdenken lassen. Die öffentliche Debatte um Nachhaltigkeit ist geprägt durch die Klimakatastrophe, das Schwinden der Artenvielfalt und die Frage, wieviel Gift unsere Gewässer und Ackerflächen noch vertragen. Doch was hat das mit Sozialer Arbeit zu tun? Bei aller «Allzuständigkeit» – warum sollten sich Fachpersonen und Organisationen Sozialer Arbeit auch noch um Biodiversität kümmern und bei ihrer Arbeit eine CO2-Bilanz ausweisen müssen?
Mit diesen Fragen beschäftigten sich fast 90 Expertinnen und Experten der Sozialen Arbeit aus der ganzen Ostschweiz und angrenzenden Regionen. Im Zentrum stand dabei, ob Nachhaltigkeit in der Sozialen Arbeit auf die Dimension der sozialen Nachhaltigkeit zu reduzieren ist und damit auf das Beenden von Armut, oder ob weitere Ziele anzustreben sind und welche Entwicklungen in der Praxis, der Lehre und der Forschung der Sozialen Arbeit damit anzustossen wären.
Dass diese Überlegungen Sozialarbeitende weltweit betrifft, wurde gleich zu Beginn der Tagung durch Grussworte von Expertinnen und Experten aus Sambia und den USA deutlich. Sehr plastisch schilderten sie die Dringlichkeit der Verknüpfung von Sozialer Arbeit und Fragen von Umweltgerechtigkeit, die in ihrer Arbeit vor Ort kein «nice to have» sind, sondern einen untrennbaren Bestandteil der Arbeit vor Ort darstellen. Zu den Videos gelangen Sie hier.
Möglichen Verknüpfungen der unterschiedlichen Nachhaltigkeitsdimensionen gingen sieben «Denkinseln» nach, bei denen Expertinnen und Experten aus der Schweiz bereits bestehende Ansätze zur Diskussion stellten und gemeinsam mit Teilnehmenden Möglichkeiten des Zusammendenkens von sozialen mit Nachhaltigkeitsfragen in der konkreten Praxis erarbeiteten. Dabei stellte sich heraus, dass es eine Vielzahl von Einzelinitiativen gibt, wie nachhaltige Entwicklung in der Praxis der Sozialen Arbeit bereits gelebt und angestrebt wird.
Priska Fleischlin, Sozialarbeiterin aus Bern und Botschafterin des Internationalen Verbandes der Sozialarbeit (IFSW) bei den Vereinten Nationen, legte in ihrer Keynote dar, wie das Thema Nachhaltigkeit auf unterschiedlichen Ebenen von den Projekten vor Ort über die Weiterentwicklung der Programmatik der Sozialen Arbeit durch nationale und internationale Verbände bis zur Lobbyarbeit bei den UN in Genf immer wieder mit genuin sozialarbeiterischen Fragestellungen verknüpft ist. Die UN-Policy Paper SDG des IFSW finden Sie hier.
In einem Abschlusspodium ging es zusätzlich um die Frage, wie Soziale Arbeit ihre Arbeit vor dem Primat der Nachhaltigkeit weiterentwickeln kann und was konkret noch getan oder auch verbessert werden kann, zum Beispiel wie diese im Studium an der Fachhochschule verankert werden und inwiefern sich die angewandte Forschung und Entwicklung damit auseinandersetzen kann.
Nein, die perfekte Lösung gilt es nicht zu suchen, da es diese in dieser komplexen Thematik einer nachhaltigen Entwicklung nicht gibt. Deutlich wurde aber, dass gelingende Soziale Arbeit und Nachhaltigkeit untrennbar miteinander verbunden sind und Lösungen in der Verflochtenheit sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeitsziele zu finden sind.