Die Globalisierung verändert die Lebenszusammenhänge der Menschen. Das wirkt sich auch auf die Soziale Arbeit aus. Die FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit, hat das Thema „Transnationalisierung“ ins Zentrum des Interesses gestellt. Die Fachtagung „Transnationalisierung und ihre Folgen für die Soziale Arbeit“ ist am 26. Juni 2009 an der FHS St. Gallen in Rorschach mit 105 Teilnehmenden erfolgreich durchgeführt worden.
Die Tagung bildete den Abschluss einer einwöchigen Sommerschule. Sie wurde erstmals und in enger Zusammenarbeit mit der Alice Salomon Hochschule Berlin organisiert. „Unser Leben wird zunehmend von grenzüberschreitenden Beziehungen beeinflusst. Sie sind nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern betreffen auch andere Lebensbereiche“, erklärte Christian Reutlinger von der FHS St.Gallen in seinen Begrüssungsworten. Deshalb sei es wichtig, die Transnationalisierung vermehrt zu thematisieren und über ihre Folgen auf Bereiche wie Armut, Migration, Integration oder Soziale Arbeit nachzudenken.
Häufiges Hin- und Herwandern
Ludger Pries, Professor an der Ruhr-Universität Bochum, stellte sein Referat unter den Titel „Transnationalisierung der sozialen Welt“. Am Beispiel mexikanischer Arbeiter, die sich in den USA eine Beschäftigung suchten, zeigte er auf, dass Migration verschiedene Realitäten haben kann. „Viele Mexikaner wandern nicht einfach aus, integrieren sich und lassen ihr Heimatland zurück. Sie bleiben ein paar Monate oder Jahre in Nordamerika, kehren nach Mexiko zurück, um nach einiger Zeit erneut auszuwandern“. Dieses häufige Hin- und Herwandern zwischen zwei Gesellschaften erzeuge neue transnationale Strukturen. Die Menschen entwickelten an beiden Orten Beziehungspunkte, aus denen grenzüberschreitende Netzwerke entstehen könnten.
Ludger Pries nannte einige konkrete Auswirkungen der Transnationalisierung. So überweisen viele Migrantinnen und Migranten Geldbeträge an ihre zurückgebliebenen Familienmitglieder im Heimatland. „In manchen Ländern übersteigt die Summe dieser Geldrücküberweisung die Einnahmen, die aus dem Tourismus erwirtschaftet werden.“ Aber auch neue Unternehmensstrategien resultierten aus Transnationalisierung. Der Referent schilderte die Arbeitssituation einer Familie, die ihr Geschäft in der Tourismusbranche im Sommer in den Süden verlegt und im Winter in die österreichischen Dolomiten.
Thema zu wenig erforscht
Janine Dahinden, Professorin an der Universität von Neuchâtel, stellte zwei Studien vor. Mit ihnen zeigte sie auf, dass nicht jeder Migrant zwangsläufig transnationale Beziehungen knüpft. Umgekehrt könnten Menschen ohne Migrationserfahrungen durchaus in grenzüberschreitende Netzwerke eingebunden sein. Interessant seien die Erkenntnisse aus einer Befragung kosovo-albanischer Migrantinnen und Migranten. Die Studie habe ergeben, dass viel weniger Ausgewanderte in Projekte in ihrer Heimat investierten als angenommen. „Viele sind finanziell gar nicht in der Lage, andere haben sich von ihrem Heimatland abgelöst.“ Gut situierte Ausgewanderte mit hohem Bildungsstand verfügten über die dauerhaftesten grenzüberschreitenden Verbindungen.
Der dritte Referent thematisierte schliesslich Formen der Sozialen Arbeit, die in transnationalen Welten entstehen. Wolfgang Schröer von der Stiftung Universität Hildesheim erklärte, dass die Bedeutung der sozialen Unterstützung und ihr Einfluss auf die Gesellschaft noch viel zu wenig erforscht seien. Er warnte davor, diese Form der Sozialen Arbeit mit dem üblichen Professionalitätsbegriff zu betrachten. Es brauche einen neuen Blickwinkel, um die Auswirkungen der Transnationalisierung zu erfassen. Wie seine Vorrednerin und sein Vorredner betonte auch Wolfgang Schröer, dass über die zunehmende Transnationalisierung und ihre Folgen noch viel zu wenig bekannt sei. Erst seit kurzem werde das Thema auch in der Politik aufgegriffen.
An der Tagung nahmen sowohl Fachleute verschiedenster sozialer Organisationen und Ausbildungsstätten wie auch Studierende aus der Schweiz und Deutschland teil. Nach den Referaten setzten sie sich in Workshops vertieft mit dem Thema auseinander.