Die Fachhochschule St.Gallen lädt die Bevölkerung im November zum öffentlichen Kulturzyklus Kontrast ein. An fünf Abenden eröffnen Künstlerinnen und Künstler mit einer Beeinträchtigung ungewöhnliche Zugänge zu Cartoons, Film, Literatur, Musik und Tanz.
Bereits zum vierten Mal heisst es an der Fachhochschule St.Gallen «Vorhang auf» für den Kulturzyklus Kontrast. Vom 7. bis 11. November 2017, jeweils um 19.30 Uhr, zeigen Menschen mit einer Beeinträchtigung ihr künstlerisches Schaffen einer breiten Öffentlichkeit. Im Mittelpunkt steht die Frage nach dem vermeintlich «Normalen». Eine Antwort geben die Künstlerinnen und Künstler in ihrer Arbeit. Die Veranstaltungsreihe des Fachbereichs Soziale Arbeit stellt das künstlerische Werk ins Zentrum und will auch einen Beitrag leisten für eine gelebte Inklusion, die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft.
Witzig, böse Cartoons
Der Kulturzyklus Kontrast startet am 7. November mit der Eröffnung der Ausstellung «Mit Behinderung ist zu rechnen – Cartoons von Phil Hubbe». Der Karikaturist Phil Hubbe hat Multiple Sklerose und zeichnet «behinderte Cartoons», wie er sie selber bezeichnet und wie auch der Untertitel seiner Buchreihe lautet. Seine Zeichnungen sind witzig und böse. Darf er sich lustig machen über das Thema Behinderung? Das Interesse und der Zuspruch seines Publikums geben ihm jedenfalls recht. Für Phil Hubbe ist es die erste Ausstellung in der Schweiz. Am Kulturzyklus wird er ausserdem live einen Cartoon zeichnen. Die Ausstellung ist nach dem Zyklus noch bis am 7. Dezember an der FHS St.Gallen zu sehen.
Im Film «24 Wochen», der am 8. November gezeigt wird, erfahren die Kabarettistin Astrid (gespielt von Julia Jentsch) und ihr Partner Markus (Bjarne Mädel), dass ihr ungeborenes Kind mit dem Down-Syndrom und einem schweren Herzfehler zur Welt kommen wird. Sie müssen sich entscheiden, ob sie das Kind behalten wollen oder sich doch zu einer Spätabtreibung entschliessen. Beim Deutschen Filmpreis 2017 bekam «24 Wochen» den Filmpreis in Silber und war in den Kategorien beste Regie, bestes Drehbuch und beste weibliche Hauptdarstellerin nominiert. Nach der Vorführung findet ein Podiumsgespräch mit Ruth Bader, Betroffene und Vertreterin von Menschen mit degenerativen Muskelerkrankungen, und Filmredaktor Alex Oberholzer statt.
Gegen die Ignoranz der Gesellschaft
Am 9. November liest der österreichische Schriftsteller Erwin Riess aus seinem Roman «Herr Groll und die Stromschnellen des Tiber». Der Politikwissenschaftler und Behindertenaktivist ist seit seinem 26. Lebensjahr auf den Rollstuhl angewiesen. Sein Schreibstil zeichnet sich durch hintersinnigen Witz und eine bis zum Sarkasmus gesteigerte Abrechnung mit der Ignoranz der Gesellschaft aus, der das Wort Barrierefreiheit unbekannt geblieben scheint. Die Figur des Rollstuhlfahrers Groll kämpft in absurden Situationen gegen diese weit verbreitete Blindheit an. Erwin Riess stellt am Kulturzyklus auch das Buch «Unerhörte Lust. Zur Sexualität behinderter und kranker Menschen» vor.
Ein ungewöhnliches Mutter-Tochter-Duo tritt am 10. November auf: Lucy und Kika Wilke sind «Blind & Lame» – und der Name beschreibt auch die Behinderung, mit denen die beiden Frauen leben. Damit soll das Thema aber gleich abgehakt sein. Für Lucy und Kika Wilke steht etwas anderes im Fokus: die Musik. Und die ist alles andere als lahm. Mit Gesang und Gitarre nehmen sie das Publikum mit auf eine Reise um die Welt.
Den Abschluss des diesjährigen Kulturzyklus macht am 11. November Alessandro Schiattarella. Eine seltene Krankheit stoppte seine Karriere auf den grossen Ballettbühnen dieser Welt. Seither sucht er den Ausdruck in der Einschränkung. In seinem aktuellen Projekt hat er ein Stück für eine Gruppe von sechs Tänzern choreografiert und inszeniert. «Strano» handelt vom Leben mit Einschränkungen und dem Streben nach dem Standard als Ideal. Es geht um Inklusion und Exklusion.
Dienstag, 7. November 2017, 19.30 Uhr,
Vernissage, Ausstellung «Mit Behinderung ist zu rechnen – Cartoons von Phil Hubbe»
Mittwoch, 8. November 2017, 19.30 Uhr
Film, «24 Stunden»
Donnerstag, 9. November 2017, 19.30 Uhr,
Lesung, «Herr Groll und die Stromschnellen des Tiber», mit Erwin Riess
Freitag, 10. November 2017, 19.30 Uhr,
Konzert, «Blind & Lame»
Samstag, 11. November 2017, 19.30 Uhr,
Tanz «Strano», Alessandro Schiattarella
Die öffentlichen Veranstaltungen finden im Fachhochschulzentrum an der Rosenbergstrasse 59 in St.Gallen statt. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Weitere Informationen unter: www.fhsg.ch/kontrast
Patronatsträgerinnen des Kulturzyklus Kontrast sind die Raiffeisenbank St.Gallen, die Stutz AG und die Firma Redline. Die Übersetzung der Einladung zum Kulturzyklus in «Leichte Sprache» wird vom Amt für Gesellschaftsfragen der Stadt St.Gallen unterstützt. Weitere Unterstützerinnen sind Migros Kulturprozent und die Stiftung «Denk an mich».