Am Donnerstagnachmittag ist das Hafen-Beizli in Rorschach bis auf den letzten Platz gefüllt. Stimmengewirr und Gläserklirren erfüllen den Holz getäfelten Raum und lassen das Fischernetz an der Decke leicht erzittern. Die zwei grossen Fenster offenbaren den Blick auf den Bodensee, dessen deutsches Ufer im Nebel versinkt. Hinter der Theke herrscht eifriges Treiben. Seemanns-Cafés werden ausgeschenkt – eine geheim gehaltene Eigenkreation, die rote Ohren verspricht. Leise ertönen Gitarrenklänge. Ein Gast hat das geparkte Instrument entdeckt und seine Funktion, den Besuchern für spontane Musikeinlagen zur Verfügung zu stehen, entlarvt.
Die Gäste des Hafen-Beizlis sind knapp 50 Studierende der FHS St.Gallen. An diesem Nachmittag findet der Auftakt eines Medienseminars unter der Leitung von Mark Riklin und Selina Ingold statt. Im Anschluss an die erste Folge „Fragen an eine Stadt“, während der Studierende auf dem Marktplatz 101 Fragen an die Stadt Rorschach gesammelt haben, suchen die angehenden Fachleute der Sozialen Arbeit in der zweiten Folge an ausgewählten Stammtischen der Stadt nach Antworten. Die Initianten gehen davon aus, dass sich an Stammtischen Geschichten über eine Stadt sammeln. Der Stammtisch ist eine Art Bühne, ein verlängertes Wohnzimmer, eine öffentliche Stube. Hier wird geklagt, gejohlt, geschimpft und gepoltert. Deshalb laden die Studierenden am 21. Oktober stellvertretend für die Bevölkerung Wirte zum Gespräch ein. „Wirte sind die Ohren der Stadt“, so Mark Riklin. „Sie sind Zuhörer, Beobachter und Zeugen.“
Nach einer knappen Stunde leert sich das Hafen-Beizli, der Seminarauftakt neigt sich dem Ende. Die Studierenden packen ihre Sachen und verlassen – teils mit geröteten Ohren – den ungewohnten Vorlesesaal. Eine kleine Gruppe Studierender bleibt sitzen, bestellt ein zweites Getränk und kommt mit der Wirtin Esther Brehm ins Gespräch: Wie stellt sie es an, wildfremde Leute miteinander ins Gespräch zu bringen? – ist eine der Fragen, auf die erste Antworten gesucht werden.
Studierende erleben im Hafenbeizli den Auftakt des Medienseminars
Bild: Renata Zoller/Sonja Kälin