Wie lokale Erfahrungen überlebenswichtig sein können

Ein Besuch im Fram-Museum, Oslo (Text: Martin Müller, Institutsleiter)

Manche Projekte, bspw. in der  sozialen Gemeinde- oder Stadtentwicklung, gleichen Reisen ins Ungewisse. Denn die Menschen, mit denen man zu tun hat, sind nicht ohne weiteres berechenbar. Ein Besuch im Fram-Museum in Oslo regt zu Analogien an. Die Fram ist das Forschungsschiff von Fridtjof Nansen, mit dem auch  Roald Amundsen, der Entdecker des Südpols, unterwegs war. Seine Geschichte ist im Museum ebenfalls eindrücklich dokumentiert. Amundsens Kontrahent im Rennen zum Südpol, der Engländer Robert Scott, erreichte den Pol einen Monat nach Amundsen und fand auf dem Rückweg sein tragisches Ende im ewigen Eis. Die beiden hatten ganz unterschiedliche Methoden gewählt, wie sich zeigte mit unterschiedlichem Erfolg. Was können wir daraus lernen?

Scott setzte einerseits auf Bewährtes, mit dem er vertraut war: Er spannte robuste Ponys vor seine Schlitten, gewohnte Zugtiere also. Dazu war er mit der neusten technischen Errungenschaft unterwegs, nämlich mit 3 Motorschlitten. Beide, die Ponys wie die Motoren, taten es nicht lange im extremen antarktischen Klima.

Amundsen hingegen hatte einerseits alle früheren Polarexpeditionen genauestens studiert und ausgewertet und bereits auf eigenen Expeditionen (Nordwestpassage etc.) Erfahrungen gemacht und analysiert. Vor allem aber hatte er im Kontakt und  im zeitlichen Zusammenleben mit Inuit viel  von diesen gelernt über das Leben im Eis. Er kannte günstige Materialien und Konstruktionen und  hatte dieses Wissen wiederum durch sein eigenes verfeinert und erweitert. Er setzte deshalb auf Schlittenhunde als Zugtiere und auf ein Basislager (Framheim), das teilweise nach Prinzipien des Iglubaus konstruiert war. Dies alles bewährte sich  so gut, dass er den Rückweg mit genügender Ausrüstung und Vorräten bewältigen konnte und als gefeierter Held zurückkehrte.

Amundsen war als kompetenter und sorgfältiger Wissenschafter nicht dem Irrtum verfallen, blind für den völlig veränderten Kontext zu sein. Vielmehr respektierte und nutzte er die Erfahrungen und das Wissen der Menschen vor Ort, die mit den Verhältnissen vertraut waren und kombinierte es mit seinem soliden, wissenschaftlich gewonnenen Wissen. Genau dieses erfolgreiche Konzept kommt in Entwicklungsprojekten mit Praxispartnerinnen und -partnern zur Anwendung, insbesondere in sorgfältig gestalteten partizipativen Prozessen wie zum Beispiel aktuell in Frauenfeld im Projekt „Älter werden im Quartier“.