Wohnforscherinnen und Wohnforscher an der FHS

  

Wohnthemen bekommen derzeit grosse Aufmerksamkeit: Sie werden öffentlich diskutiert, stehen auf politischen Agenden und beschäftigen die Wissenschaften – sowohl in der Schweiz als auch in anderen Ländern. Aus diesem Grund hat das Institut für Soziale Arbeit an der FHS einen internationalen Workshop durchgeführt. Ein Rückblick.

Hintergrund für die Aktualität der Wohnthemen sind rasche gesellschaftliche Veränderungen seit den 1990er Jahren, die sich auf das Wohnen stark auswirken. Zum Beispiel: Der demografische Wandel führt zu neuen Bedarfen an differenzierten Wohnformen im Alter. Individualisierung und Pluralisierung von Lebensweisen bringen neue Wohn- und Zusammenlebensformen hervor. Wachsende Mobilitätsanforderungen und -bedürfnisse führen zu Formen temporären und multilokalen Wohnens. Mit der Flexibilisierung der Arbeitswelt flexibilisiert sich auch die zeitliche und räumliche Organisation von Arbeit, was sich etwa im Homeoffice ausdrückt. Neue Informations- und Kommunikationstechnologien sowie Digitalisierung befördern Entwicklungen im Bereich Smart Homes. Globalisierung, Europäisierung, Migration und Flucht bringen neue Wohnkulturen und neue quantitative und qualitative Anforderungen an Wohnräume mit sich. Nationale, regionale und lokale Raumentwicklungsstrategien beeinflussen, wer wo welchen Wohnraum errichtet, aber auch, wer wo wie wohnt. Und die wachsende Kluft innerhalb der Bevölkerung in Bezug auf die soziale und ökonomische Lage macht die Leistbarkeit von Wohnraum zu einer der gegenwärtig drängendsten Herausforderungen.

Mit diesen und weiteren wichtigen Wohnthemen sind zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschäftigt. Zugleich gibt es bislang wenig Zusammenarbeit und Vernetzung innerhalb der Wohnforschung. Die Aktualität der Themen sowie das Bedürfnis nach Vernetzung waren die Beweggründe, einen internationalen Workshop zu initiieren. Dieser konnte dank finanzieller Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) vom 16. bis 18. November 2017 an der FHS St. Gallen stattfinden; als Mitveranstalterin fungierte die Architektur- und Wohnsoziologin Christine Hannemann von der Universität Stuttgart. Insgesamt 24 Wohnforscherinnen und Wohnforscher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sind zusammengekommen, um sich und ihre Arbeiten kennenzulernen sowie gemeinsame Kooperationsmöglichkeiten auszuloten. Institutionell vertreten waren aus Deutschland neben der Universität Stuttgart die HafenCity Universität Hamburg, die TU Kaiserslautern, die Universität Tübingen, die Bauhaus-Universität Weimar sowie die Leibniz Universität Hannover, aus Österreich die Universität Wien, die TU Wien sowie ein privates Forschungs- und Entwicklungsbüro, aus der Schweiz die ETH Zürich, die Fachhochschule Nordwestschweiz sowie die Fachhochschule St. Gallen.

Zum Auftakt des Workshops gab es eine eindrückliche und informative Führung durch St.Gallen, geleitet von Dani Fels, Dozent an der FHS St.Gallen und ausgewiesener St. Gallen-Kenner. Unter dem Titel «Wohnen allein reicht ja nicht. Von kulturellen und anderen Kämpfen in St.Gallen» hat er sich und uns eine «Wohnbrille» aufgesetzt und damit nicht nur den Gästen neue wohnbezogene Facetten der Stadt gezeigt, sondern auch den Ortskundigen unter uns so manchen Aha-Effekt beschert. Barbara Fontanellaz, Leiterin des Fachbereichs Soziale Arbeit, hat die Gäste ebenfalls begrüsst und sich der Führung angeschlossen.

Zurück im Turm der FHS St.Gallen folgte der Auftakt der Beiträge mit einem Abendvortrag von Christian Reutlinger. Ausgehend von den historischen Analysen der Wohnsituation der Arbeiterinnen und Arbeiter in England von Friedrich Engels im 19. Jahrhundert sowie von George Orwell in den 1930er Jahren hat er einen Vorschlag zu sozialräumlichen Dimensionierungen des Wohnens gemacht, an den in der weiteren Entwicklung des Schwerpunkts «Wohnen und Nachbarschaften» am Fachbereich für Soziale Arbeit angeknüpft werden kann.

Der Freitag stand dann im Zeichen der weiteren Beiträge der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Dabei wurde eine grosse Bandbreite an inhaltlichen, theoretischen und methodischen Zugängen zu vielfältigen Facetten des Wohnens sichtbar: von wohnungspolitischen Kämpfen über technisiertes Wohnen bis hin zu multilokalem Wohnen, von gemeinschaftlichen Wohnformen über Wohnen von Geflüchteten bis hin zum Umgang mit alternden Einfamilienhausquartieren, vom integrierten Wohnforschungsansatz über den hausbiografischen Zugang bis hin zum Vorschlag, die Wohnforschung konzeptionell unter dem Begriff der Habitologie zu fassen und weiterzuentwickeln.

Einen besonderen Stellenwert kam dem Thema «Wohnen im Alter» zu: Die renommierte Schweizer Wohnforscherin und Workshop-Teilnehmerin Margrit Hugentobler referierte am Freitagabend gehalt- und humorvoll über Herausforderungen und Chancen des Wohnens im Alter. Der öffentliche Vortrag hat über 70 Zuhörerinnen und Zuhörer an die FHS St.Gallen gelockt; die rege Diskussion wurde im Anschluss an den Vortrag bei einem Apéro weitergeführt.

Der Samstagvormittag schliesslich war neben letzten Beiträgen von Teilnehmenden vor allem der «Ernte» der Ergebnisse gewidmet: Was sind für mich die wichtigsten Themen? Welche Themen möchte ich weiterverfolgen? Was hat mir gefehlt? Diese Fragen wurden gemeinsam bearbeitet. Zusätzlich wurden vielfältige Ideen für weitere Kooperationsmöglichkeiten gesammelt. Was aus diesen werden wird, sehen wir im nächsten Jahr …

Abschliessend gebührt ein grosser Dank allen Kolleginnen und Kollegen an der FHS St. Gallen, die zum Gelingen des Workshops beigetragen haben.

Text: Nicola Hilti

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