Traumberuf Schatzsucher

Erste Reaktionen auf die Ausschreibung der Schatzsucher-Stelle von letzter Woche. Reflexionen von Mark Riklin, dem Urheber der Idee eines Schatzsuchers in Rorschach.

„Wer hat nicht schon mal davon geträumt, einen Schatz zu finden. Einen Schatz, der in der Regel gut versteckt ist, meistens auf einer einsamen Insel.“, hiess es vergangene Woche auf FM1 in der Anmoderation zu einer Radio-Reportage von Diana Von Ow. Auch bei uns gebe es den einen oder anderen versteckten Schatz, der darauf warte, gefunden zu werden. Und zwar nicht an der Südsee, sondern am Bodensee. Nicht im Sand vergraben, sondern gut versteckt in der Stadt Rorschach.

Südwest-Funk
Seit vergangenem Mittwoch sucht die Stadt Rorschach per Inserat einen Schatzsucher oder eine Schatzsucherin. Die bisherige Resonanz übertrifft sowohl seitens Initianten als auch seitens Stadtbehörden die kühnsten Erwartungen. Neben FM1 haben auch Radio Top und DRS 3 berichtet, die Online-Redaktionen von Tagi und BaZ meldeten die Nachricht noch am gleichen Tag, und am Freitag schwappte das Novum der Ausschreibung einer Schatzsucher-Stelle bereits über die Grenze: Die Süddeutsche Zeitung und der Südwest-Funk haben ihr Interesse an einer Geschichte angemeldet.

Spürnasen
Auch auf Seiten potentieller Bewerberinnen und Bewerbern ist das Interesse an der attraktiven 10-Prozent-Stelle konkret: Die ersten Bewerbungen sind bereits eingetroffen, etwa ein Dutzend weitere Personen aus der näheren Umgebung bis ins Berngebiet haben telefonisch nachgefragt und eine spätere Bewerbung angekündigt. Auffallend ist das breite Spektrum der Bewerberschaft: Studierende, Kunstschaffende, Buchhändler, Journalisten. Überdurchschnittlich vertreten ist die schreibende Zunft, der klassische Spürnasen angehören, deren Tagesgeschäft unter anderem darin besteht, verborgene Schätze zu heben.

Metall-Detektor
Per Telefon meldete sich in der Stadtkanzlei ein Kandidat, der sich mit Hinweis auf einen eigenen Metalldetektoren als idealer Schatzsucher empfahl, weiss Stadtschreiber Bruno Seelos zu berichten. Mit Juwelen, Edelsteinen oder gar Gold sei wohl kaum zu rechnen, sagt Seelos gegenüber DRS3, auch wenn die Initianten einen sehr offenen und weit gefassten Schatz-Begriff verwenden. So können unter Schätzen vergessene Winkel, alte Bräuche, Stadt-Originale oder Geschichten verstanden werden. Zu beachten sei einzig, dass die Fundstücke des Schatzsuchers über die bekannten Wahrzeichen und Postkarten-Motive wie beispielswiese das Kornhaus oder die Badhütte hinausgehen und somit einen Neuigkeitsgehalt enthalten müssen.

Kindheits-Traum
Der künftige Schatzsucher, die künftige Schatzsucherin wird nicht im Rathaus sitzen, sondern auf Dachböden steigen, in alten Schriften blättern, über Gartenzäune klettern und an Haustüren klingeln. Welches Kind träumt nicht davon, nach einem verlorenen Schatz zu jagen? Der eigenen „Gwundernase“ nachzugehen, verwischte Spuren zu lesen, Fährten aufzuspüren und sachdienlichen Hinweisen aus der Bevölkerung nachzugehen? Eine kriminalistische Aufgabe im positiven Sinne. Gesucht ist eine Art positiver Detektiv.

Dipl. ing. Schatzsucher
Eine Tätigkeit also, die sowohl Initianten als auch Leserschaft, potentielle Bewerber sowie Medienschaffende an den Rand ihrer Kindheit versetzt. Zurückversetzt in Stevensons Schatzinsel oder karibische Piraten-Geschichten. Es scheint ein menschliches Urbedürfnis zu sein, in Geschichten zu geraten. Nicht nur Kinder, auch Erwachsene sehnen sich danach. Im besten Falle gar Inhaber der offiziellen Berufsbezeichnung „Schatzsucher“ zu werden. „Und wer wünscht sich nicht einen Eintrag im Telefonbuch als Dipl. ing. Schatzsucher?“, schliesst Moderatorin Mona Vetsch ihren Beitrag auf DRS3.

Bildlegende: Ausgangspunkt und Initialzündung für die Ausschreibung der Schatzsucher-Stelle: „Schatz am Bodensee“ im Rahmen der FHS-Reihe „Stadt als Bühne“ im Oktober 2007.

Text: Mark Riklin