Was passiert, wenn die Babyboomer in der Grossstadt massenhaft ins Alter kommen,

das ist eine der markantesten Fragen einer neuen Studie, die die – im Vergleich ungemein junge – bayerische Landeshauptstadt München in Auftrag gegeben hat. Die 55- bis 64-Jährigen werden deshalb als Hauptzielgruppe in den Vordergrund gerückt, weil die Gerontologie davon ausgeht, dass  sie das Bild des künftigen Alterns besonders stark verändern werden – ganz besonders in den grossen Städten. Es ist eine mehrheitlich ressourcenreiche, autonomieorientierte Altersgruppe. Und deshalb wird erwartet, dass sie ihre hohen Ansprüche an die bauliche und soziale Umwelt, an Lebensqualität, Aktivitäten, Mobilität, Konsum im Alter nicht aufgeben, in all ihrer Pluralität und Orientierung an selbstgewählten Lebensstilen. In diesem Kontext wird erwartet, dass sie so zu einer klaren Abkehr von defizitorientierten, negativen Alternsbildern beitragen. Gleichzeitig aber kommt es zu einer starken Zunahme älterer Menschen mit Migrationshintergrund sowie besonders verletzlicher Älterer, etwa der Hochbetagten ohne belastbare familiäre Hilfenetzwerke.

Münchens Stadtentwicklung weiss, dass sie frühzeitig auf diese Trends reagieren muss und Strategien zur Gestaltung dieses Wandels entwickeln muss. Erklärtes Ziel ist eine alterssensible Stadtentwicklung. Das Forschungsteam (Foto) – Philip Klein und Gabriele Steffen von Weeber+Partner in Stuttgart sowie Prof. Dr. Ulrich Otto von der FHS St. Gallen, unterstützt durch Jutta Mühlich (w+p) – arbeitet in der Studienerstellung eng mit vielen Fachleuten in der Stadt zusammen, die zusammengenommen ja eine ungeheuere Expertise in Sachen „Gestaltung des demografischen Wandels in der Stadt“ mitbringen. Zudem bringt sich die Oberste Baubehörde des Freistaats Bayern ein, die einen Teil der Studienkosten mitfinanziert.

v.l.n.r.: Philip Klein (w+p), Ulrich Otto (FHS St. Gallen), Gabriele Steffen (Geschäftsführerin w+p), Jutta Mühlich (w+p)

Die Bietergemeinschaft des CCG-FHS (St. Gallen) zusammen mit dem renommierten deutschen Institut Weeber + Partner (Stuttgart/Berlin) konnte bzgl. des geforderten interdisziplinären Ansatzes als einzige voll überzeugen: Die Ausschreibung verlangte ausgewiesene Kompetenzen in den Bereichen Stadtforschung, Alternsforschung, Stadtentwicklung, Stadtplanung, Wohnungsmarkt etc.

Das Forschungsteam verfolgt deshalb eine integrierte Perspektive: Baulich-städtebauliche und soziale, kulturelle, ökonomische sowie ökologische Fragestellungen sollen eng miteinander verbunden werden. Dabei geht es um ihre Wechselwirkungen – und nicht lediglich um eine additive Betrachtung. Ausserdem bestand ein entscheidendes Auswahlkriterium darin, ein besonders „münchenspezifisches“ Vorgehen zu garantieren: Den Eigensinn zu Wort kommen zu lassen und die ungeheure Vielgestaltigkeit des Älterwerdens einzufangen, die Herausforderungen der besonders hohen Entwicklungsdynamik mit ihrem mehrdimensionalen Verdrängungswettbewerb (bspw. auf dem Wohnungsmarkt) ebenso wie die sprichwörtliche besondere Lebensqualität und -art in München aufzuspüren.

Die Studie „Älter werden in München“: Neben der o.g. Babyboomer-Gruppe sollen zu Vergleichszwecken die 65- bis 75-Jährigen einbezogen werden. Kernstück der grossen Studie ist eine standardisierte Befragung in fünf Stadträumen (rund 10.000 Fragebögen). Die Ergebnisse werden mit Sekundärdaten aus weiteren einschlägigen Münchner Befragungs- und Statistikdaten gespiegelt. Ausserdem werden qualitative Interview-Verfahren u.a. mit Blick auf schlechter erreichbare Teilgruppen eingesetzt. Zugleich werden sie im Sinne des beteiligungsorientierten Ansatzes des Studiendesigns genutzt.

Was die Studie interessant macht? Es sind mehrere Spezifika:

  • Die sozialräumliche Studienanlage mit Fokus auf 10 Stadtteile in 5 unterschiedlichen Quartierstypen,
  • das Mehrmethodendesign mit zugleich aktivierenden Elementen,
  • die Zentrierung auf die Babyboomer-Generation, verbunden mit der
  • prospektiven Fragerichtung: wie können wir uns heute darauf vorbereiten, dass diese ressourcenreiche Gruppe vermutlich deutlich anders altern wird und ihr Altern gestalten möchte als bisherige Kohorten?

zur Pressemitteilung des Freistaats Bayern

Forschungsteam verstärkt im München-Projekt